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Golfsport: Schon fürs Kinder- und Jugendalter geeignet?

Artikel von Dr.med. Martin Lauterburg in DRIVE, das Magazin zum Golfsport, Ausgabe Juli  2003, S. 46-48.

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Immer häufiger trifft man an schulfreien Mittwochnachmittagen Kinder, die auf den Driving-Ranges ihre Golfschläger schwingen. Doch ist Golf als Sport überhaupt für Kinder geeignet? Und falls ja, ab welchem Alter? Wo liegen die Gefahren aus orthopädischer bzw. sportmedizinischer Sicht, und was sollten Golflehrer und Eltern beachten?

Vor dem erschreckenden Hintergrund, dass mittlerweile bereits auch unsere Kinder und Jugendlichen an Bewegungsmangel leiden, ist jede körperliche oder sportliche Betätigung, die dieser Tatsache entgegenwirkt, so auch das Golfen, sinnvoll.Die regelmässige sportliche Betätigung steigert nicht nur die Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in körperlicher, geistiger und sozialer Hinsicht, sondern sie wirkt sich auch positiv auf das Herz-Kreislauf-System und das Selbstvertrauen aus.Wobei Golf im Speziellen besonders gut geeignet ist, vorwiegend die koordinativen Fähigkeiten zu fördern.

Den Belastungen gewachsen?

So wie zu geringe körperliche Betätigung die Entwicklung beeinträchtigen kann,so bergen auch Sportbelastungen Gefahren für die Entwicklung und Reifung des kindlichen und jugendlichen Bewegungsapparates. Immerhin sind 20–40% aller Verletzungen im Wachstumsalter alleine durch Sport verursacht, davon 2/3 im Vereinssport und 1/3 in der Freizeit bzw. im Schulsport. Im Vergleich dazu ereignen sich 40–50% der Unfälle beim Spielen zu Hause und 10–20% im Strassenverkehr.Sportliche Belastungen können aber alleine schon dadurch zu Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen führen, weil der kindliche Bewegungsapparat den Belastungen noch nicht «gewachsen» ist oder wenn Eltern und Trainer mit überhöhten Leistungserwartungen im Leistungs- und Vereinssport die Belastungs- und Trainingsintensität nicht der kindlichen Belastbarkeit anpassen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Auswirkungen solcher Überbelastungen unmittelbar häufig noch keine Beschwerden verursachen und man sich daher in falscher Sicherheit wähnt, bis sich häufig erst im Alter von 25–35 Jahren die Sportschäden langsam bemerkbar machen, dann, wenn es leider häufig bereits zu spät ist.

Wer also Kinder und Jugendliche zu sportlichen Leistungen, auch im Golf, motiviert, trainiert oder betreut, muss auch die Verantwortung übernehmen und die Belastungsintensität dem jeweiligen Entwicklungsstand anpassen können. Dazu sind Kenntnisse der normalen Entwicklungsprozesse von Kindern und Jugendlichen, die nicht einfach als ein Kleinformat eines Erwachsenen betrachtet werden dürfen, notwendig. Neben der Persönlichkeitsentwicklung steht vor allem die enorme Gestaltsveränderung, die sich zwischen dem frühen Schulkindalter (6 Jahre) und dem Abschluss des Längenwachstums im jungen Erwachsenenalter (25 Jahre) abspielt, im Vordergrund. Diese Entwicklung ist aber keineswegs kontinuierlich, sondern zeigt eine ausgeprägte phasenhafte Entwicklungsdynamik. Gerade während solchen Entwicklungsschüben ist der kindliche bzw. jugendliche Bewegungsapparat besonders belastungssensibel, und die hier gesetzten Schäden am Bewegungsapparat sind meist irreversibel und können daher Funktionalitätseinbussen zur Folge haben. Die sportliche Belastung, welche als die individuell verschieden ausgeprägte Fähigkeit des Organismus definiert wird, eine sportliche Beanspruchung ohne gesundheitliche Störung zu verarbeiten, muss deshalb dauernd der sich wechselnden Belastbarkeit des Bewegungsapparates angepasst werden.

Permanente Veränderung

Die Antwort auf die Frage, ob Golf für Kinder und Jugendliche überhaupt eine geeignete Bewegungsform darstellt, ist sowohl von der sportlichen Belastbarkeit des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter als auch von den zu erwartenden Belastungen bzw. Verletzungen beim Golf abhängig.Medizinisch gesehen ist der Bewegungsapparat von Kindern und Jugendlichen während des physiologischen Reifungs- und Entwicklungsprozesses einer permanenten Veränderung unterworfen. So weist der kindliche Knochen, im Vergleich zu dem des jungen Erwachsenen, eine wesentlich höhere Elastizität auf, ist aber besonders gegenüber Zug- und Druckkräften anfällig. Die empfindlichsten Strukturen, welche bei Schädigung zu Wachstumsstörungen führen können, sind die für das Längenwachstum wichtigen Wachstumsfugen sowie die Knorpelüberzüge der Gelenke, während Sehnen,Kapsel- und Bandapparat im Kindesalter enorm belastbar sind. In Bezug auf die Muskulatur verfügen Kinder zwar über ausgezeichnete Ausdauerfähigkeiten, jedoch sind sie in der Schnell- und Maximalkraft, auch wegen der schlechteren Kontraktionsund Entspannungsfähigkeit, physiologisch noch limitiert. Dafür verfügen Kinder im frühen und späten Schulkindalter über hervorragende koordinative Fähigkeiten, die in dieser Zeit besonders gut trainiert werden können, während Krafttraining mit Gewichten sowie «Überkopfarbeit» mit Hanteln aus orthopädischer Sicht im Wachstumsalter nicht sinnvoll sind.

Geschlechtsbedingte Unterschiede

Im Schulkindalter ist die Belastbarkeit des Stützapparates von Mädchen und Knaben noch etwa gleich. Erst mit Einsetzen der Pubertät, im Alter von 11–13 Jahren bei den Mädchen bzw. 12–15 Jahren bei den Knaben, und der hormonellen Umstellung bis zur vollständigen geschlechtlichen Entwicklung kommt es zur unterschiedlichen Ausprägung und Belastbarkeit des weiblichen bzw. männlichen Bewegungsapparates, indem Mädchen einen koordinativ-motorischen Vorsprung aufweisen sowie als Folge des Östrogeneinflusses (Weichmacherfunktion) dehnbarere Bänder und beweglichere Gelenke, während sich bei Knaben unter Androgen- und Testosteroneinfluss Muskelmasse, Kraft sowie die höhere Knochenfestigkeit ausbilden. Höhere Trainingsbelastungen können daher bei beiden Geschlechtern erst mit Abschluss der Adoleszenz vom Bewegungsapparat toleriert werden.

Vor Überbelastungen schützen

Auswirkungen von intensiven Trainings- und Spielbelastungen beim Golfen auf den kindlichen Bewegungsapparat sind bisher noch nicht untersucht worden. Die Daten und Erkenntnisse aus anderen Sportarten wie Kunstturnen, Schwimmen und Leichtathletik zeigen, dass vor allem passive Druckimpulse auf Knochen und Knorpel, passive schlagartige Zugimpulse auf Muskeln, Sehnen und Bänder sowie nichtachsengerechte Scherkräfte und vor allem wiederholte beschleunigte Torsionsbelastungen besonders gefährlich sind und ein erhöhtes Verletzungsrisiko für den Bewegungsapparat im Wachstumsalter darstellen. Intensiv untersucht wurde auch die Entstehung von Wachstumsstörungen der Wirbelsäule. Man geht heute davon aus, dass wiederholte Torsionsbelastungen der Wirbelsäule während der Wachstumsphase eine der möglichen Ursachen für die Entstehung des unvollständigen Knochendurchbaus von Wirbelkörperbögen (Spondylolyse) und dem damit verbundenen Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) ist. Gerade weil beim Golfen diese beschleunigten Torsionsbelastungen in der  unteren Wirbelsäule vorkommen, bestehen durchaus berechtigte Bedenken, dass durch intensives Golfen im Wachstumsalter die Entstehung einer Spondylolyse bzw. einer Spondylolisthesis begünstigt wird. Es ist daher eine wichtige Aufgabe als Sportmediziner und Orthopäde, Kinder und Jugendliche vor der sportlichen Überbelastung und den damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen und auch Eltern sowie Trainer auf diese Risiken aufmerksam zu machen.

Für die Golfpraxis sind folgende Konsequenzen und Schlussfolgerungen für Kinder und Jugendliche relevant:

1. Golf ist grundsätzlich geeignet, nicht zuletzt, weil es auch die in diesem Alter wichtigen koordinativ-motorischen Fähigkeitenfördert. Deshalb wird im Behindertensport Golf sogar als Therapie eingesetzt.

2. Kinder sollten möglichst polysportiv gefördert werden, d.h. gleichzeitig mehrere sportliche und körperliche Aktivitäten ausüben und nicht nur ausschliesslich Golf spielen.

3. Golf sollte vorwiegend über Spielformen vermittelt werden, die die koordinativ-motorischen Anforderungen, den Spass an der Bewegung sowie die Spielpräzision in den Vordergrund stellen.

4. Auf jeden Fall sollten nur Golfschläger verwendet werden, die jeweils dem Entwicklungsstand, den motorischen Fähigkeiten sowie der Körpergrösse angepasst sind.

5. Kinder müssen nicht immer nur von den Abschlägen spielen und damit zu möglichst weiten Abschlägen motiviert werden, sondern können durchaus auch unterwegs, z.B. 100 bis 150 Meter vor dem Green, aufteen.

6. Für die Wahl der Belastungs- und Trainingsintensität und der Golfschläger ist das biologische Alter und nicht das chronologische Alter entscheidend, weil trotz gleichem Alter z.T. enorme Entwicklungsunterschiede bestehen.

7. Um den Rücken vor unnötigen Belastungen zu schonen und Gewicht einzusparen, empfiehlt es sich, dass Kinder entweder nur ein halbes Set an Schlägern tragen oder den Golfbag auf dem Wagen ziehen sollten.

8. Auf Grund ihres Körperbaus, Energiebedarfs und Wärmehaushaltes sind Kinder gegenüber ungenügender Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme und gegenüber Hitzeschlag auf einer Runde Golf besonders zu schützen.

9. Wer aus Kindern und Jugendlichen unbedingt einen kleinen Tiger Woods oder eine kleine Annika Sörenstam hervorbringen will, ist gut beraten, die Trainingsintensität mit Sportmedizinern und Orthopäden zu besprechen.

10. Vorsorgliche Untersuchungen haben das Ziel, bei Kindern und Jugendlichen, die Leistungssport betreiben, schädigende Belastungen möglichst frühzeitig zu erkennen, um Spätschäden vermeiden zu können.

 

 


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